Energiewende: Serbisches Lithium für Europas Batterie-Industrie (2024)

Auf einmal ging alles sehr schnell: Mitte Juni kündigte Serbiens Staatspräsident Aleksandar Vučić eine Kehrtwende in dem von ihm blockierten Lithium-Projekt Jadar im Westen Serbiens an. Vorige Woche verwarf das Verfassungsgericht die 2022 nach Massenprotesten von Vučićs Regierung verkündete Annullierung des Raumordnungsverfahrens, womit der britisch-australische Bergbaukonzern Rio Tinto seine Abbaulizenz behält. Diesen Freitag nun wollen Bundeskanzler Olaf Scholz und der für den Green Deal zuständige EU-Kommissar Maroš Šefčovič in Belgrad mit Vučić eine „strategische Partnerschaft“ zur Rohstoffsicherheit schließen.

Vor allem geht es um Lithium, den Basisrohstoff für die Produktion von Batterien, die wiederum für die grüne Wende und die Elektrifizierung des Autoverkehrs unabdingbar sind. Serbien hat viel von dem gefragten Stoff. Das 2004 entdeckte Vorkommen im Jadar-Tal, das angeblich größte in Europa, ließe laut Rio Tinto die Produktion von 58.000 Tonnen Lithiumhydroxid im Jahr zu. Das würde für 1,1 Millionen E-Autos oder knapp ein Fünftel der europäischen Produktion reichen. Neben Lithium sollen dort auch Bor und Natriumsulfat abgebaut werden.

Dies sind Gründe, die Michael Schmidt von der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) von einem „ganz wichtigen Pfeiler für die europäische Selbstversorgung mit Batterierohstoffen“ sprechen lassen. Drei Viertel des Weltmarktes würden von Australien und Chile bestimmt, auch wenn China, Brasilien und Argentinien Marktanteile dazugewännen. Schmidt steht trotz des aktuellen Nachfragerückgangs bei E-Autos zu der schon vor zwei Jahren gemachten Aussage, die Lithiumförderung müsse global um den Faktor vier bis sieben ausgebaut werden, um die prognostizierten Bedarfe zu decken

Europa hinkt beim Lithium-Abbau hinterher

In Europa hat es dazu zwar manche Versprechungen gegeben. Schon 2017 hatte es geheißen, man werde 2022 im deutsch-tschechischen Grenzgebiet mit dem Abbau des „weißen Goldes“ beginnen. Passiert ist seither bis auf ein Regierungsabkommen eher wenig. Proteste von Anwohnern stören auf der tschechischen Seite den Projektfortgang, wo der größte Teil auch dieses angeblich „größten Vorkommens Europas“ liegt. Dennoch ist Schmidt zuversichtlich: „Wir sehen auch da Fortschritte.“

Auch in Österreich hat die australische Firma European Lithium einen Abbau ab dem kommenden Jahr in Aussicht gestellt – wobei der in Kärnten aus dem Berg geschlagene Rohstoff in Saudi-Arabien verarbeitet werden soll. BMW ist hier mit im Spiel. In Bosnien-Hercegovina, auf der gegenüberliegenden Seite des serbischen Jadar-Vorkommens, hatte Ende vergangenen Jahres das Schweizer Bergbauunternehmen Arcor angekündigt, ab 2026 nach Lithium, Magnesium, Bor und Kalium schürfen zu wollen. Doch schon im Frühjahr blieben Anfragen zu dem Projekt von Arcor unbeantwortet.

Fachleute wie Schmidt wissen, dass im Bergbau nur wenige der angekündigten Projekte in die Tat umgesetzt werden. Umso wichtiger sei das Rio-Tinto-Projekt in Serbien, auch weil der Bergbaukonzern finanzstark sei und sich dafür nicht erst an der Börse frisches Geld beschaffen müsse.

Sorge vor chinesischem Einfluss

Nicht zuletzt spielt die Sorge eine Rolle, Vučić könne das Projekt chinesischen Investoren zuschanzen. Serbien ist zwar seit 12 Jahren EU-Beitrittskandidat, unterhält aber beste Beziehungen zu Peking. Chinas Unternehmen spielen in Serbien eine große, umweltpolitisch zuweilen umstrittene Rolle. Vučić selbst hatte das im Juni im Interview mit der „Financial Times“ thematisiert, als er feststellte, EU-Beamte fürchteten, Belgrad könne den Chinesen die Mine geben. „Wir hatten nicht die Absicht, das zu tun, weil wir versprochen haben, dass wir uns mit der EU befassen.“

Scholz’ für Freitag avisierter Besuch soll das festzurren. Vučić hat in der EU und Washington trotz seiner guten Kontakte nach Moskau und Peking an Rückhalt gewonnen, weil er Munition an die Ukraine liefern lässt. Kritische Kommentare zu den wohl manipulierten letzten Wahlen fielen aus.

Rio Tinto will 2,5 Milliarden Dollar investieren und 1300 Arbeitsplätze schaffen. Im Frühjahr hatte der Konzern Ergebnisse einer neuen Umweltprüfung eingereicht. Auf dieser Grundlage konnte Vučić seine Meinung ändern, obwohl seine damalige Ministerpräsidentin Ana Brnabić dem Projekt 2022 verbal den Stecker gezogen hatte: „Es ist vorbei.“ Dass sie das nicht richtig fand, sagte sie damals auch: „Wir hören auf unser Volk, auch wenn wir anderer Meinung sind.“

In Belgrad ist man nach Worten des Staatspräsidenten an der „gesamten Wertschöpfungskette plus perfektem Umweltschutz“ interessiert. Das umfasst mehr als nur den Abbau der Mineralien, der 2028 beginnen könnte, sondern wohl auch deren Weiterverarbeitung zu Batterien. Aber zuerst brauche man „von Europa Garantien“. Letztlich gehe es um gut bezahlte neue Arbeitsplätze.

Rio-Tinto-Projektleiter Chad Blewitt versprach den Bau einer „Weltklasse-Anlage“, die sowohl nach serbischen als auch nach EU-Standards sicher entwickelt werden könne. Das Projekt könne als „Katalysator für die Entwicklung anderer Branchen und Tausender von Arbeitsplätzen“ in Serbien dienen.

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Umweltbedenken schob Vučić zur Seite. „Wir glauben, dass das Bergwerk niemanden oder irgendetwas gefährden würde.“ Umweltschützer vor Ort sehen das anders. Aktivisten der NGO „Go Chance“ kündigten neuerliche Proteste an, nach lokalen Berichten kam es auch schon zu Festnahmen.

Energiewende: Serbisches Lithium für Europas Batterie-Industrie (2024)

FAQs

Wo gibt es die größten Lithium Vorkommen in Europa? ›

Bei der Verarbeitung des Leichtmetalls ist China der einsame Spitzenreiter, das Land ist auch der bei Weitem wichtigste Lithium-Lieferant für Europa. Lithium-Vorkommen gibt es zwar auch auf dem europäischen Kontinent – in Frankreich, Tschechien oder auch in Deutschland.

Wo kommt das Lithium für Batterien her? ›

Das Lithium für die Lithium-Ionen-Batterie wird hauptsächlich als Erz abgebaut (Quelle). Hier werden keine großen Wassermengen benötigt, da das Erz mit konventionellen Methoden gewonnen wird. Seltener, dafür jedoch bekannter ist die Gewinnung von Lithium als Sole in den Salzseen der Atacamawüste (Argentinien, Chile).

Welche Firma fördert Lithium in Deutschland? ›

In Deutschland hat Albemarle Standorte in Frankfurt am Main und Langelsheim. Laut eigenen Angaben ist Albemarle durch die Übernahme des Konkurrenten Rockwood 2015 der weltgrößte Produzent von Lithium und Lithiumverbindungen.

Hat Deutschland Lithium? ›

Hierzulande steckt Lithium in einigen Regionen im sogenannten Thermalwasser in Tausenden Metern Tiefe – so viel ist bekannt.

Wer ist der größte Lithium Produzent der Welt? ›

Albemarle Corporation ist ein amerikanisches Unternehmen, das sich auf die Produktion von Katalysatoren und Lithium- und Bromprodukten spezialisiert hat. Im Jahr 2015 übernahm das Unternehmen seinen Konkurrenten Rockwood. Dank der Übernahme ist Albemarle der größte Lithiumproduzent der Welt.

Welches Land fördert am meisten Lithium? ›

Lithiumgewinnung im Norden Chiles

Die größten Lithium-Vorkommen befinden sich im sogenannten „Lithium-Dreieck“ zwischen Bolivien, Argentinien und Chile. In Chile wird Lithium im Salar de Atacama im hohen Norden des Landes gefördert. Die drei Salzseen der Atacama-Wüste bilden ein riesiges Lithium-Reservoir.

Woher kommen die Batterien für Tesla? ›

Neben dem Werk in Nevada fertigt Tesla auch Batteriezellen in der Gigafactory Shanghai.

Wie viel Liter Wasser braucht man für eine Lithium Batterie? ›

Der Wasserverbrauch ist bei ersterem deutlich niedriger. Nach einer Erhebung des Danish Technological Institute werden derzeit zwischen 400 und 2000 Liter Wasser für die Produktion von einem Kilogramm Lithium benötigt.

Wo kommen die Rohstoffe für Autobatterien her? ›

Die meisten Elektrofahrzeuge haben heute Lithium-Ionen-Batterien an Bord. Ein entscheidender Teil des Lithiums für die Stromspeicher stammt aus Südamerika. Um das Alkalimetall zu gewinnen, wird salzhaltiges Grundwasser an die Oberfläche gepumpt.

Hat Lithium noch Zukunft? ›

Insbesondere wegen seiner Verwendung in der Elektromobilität entwickelt sich das Alkalimetall derzeit zum meistgefragten Rohstoff der Welt. Laut Expertenprognosen dürfte sich der weltweite Lithium-Bedarf gegenüber 2017 bis zum Jahr 2028 fast verzehnfachen, dann könnten jährlich rund 1,6 Mio.

Wie lange reicht das Lithium auf der Erde? ›

Die heutigen Reserven belaufen sich auf ca. 15 Millionen Tonnen Lithium. Das heißt, die Reichweite der Rohstoffe läge bei einem Bedarf von 240.000 t bei etwa 60 Jahren. Berechnet man die statische Reichweite mit dem Bedarf für 2050, landen wir bei etwa 13 Jahren.

Woher bezieht Deutschland Lithium? ›

Deutschland importiert die meisten Lithium-Ionen-Akkus aus China, Japan und Südkorea. Weizen und Mais machen heutzutage mehr als 27 Prozent der weltweit verbrauchten Kalorien aus.

Wo ist das größte Lithium Vorkommen in Europa? ›

Um den Ort herum, der etwa 100 Kilometer nordwestlich der tschechischen Hauptstadt Prag liegt, stecken etwa drei bis fünf Prozent der weltweiten Lithium-Reserven im Boden - das größte Vorkommen in Europa.

Wie viel Lithium braucht man für eine Autobatterie? ›

Je nach Bauart stecken in einem Akku zwischen 120 und 180 Gramm Lithium pro Kilowattstunde Kapazität. In Summe werden so für ein durchschnittliches Mittelklasse-E-Auto etwa fünf bis acht Kilogramm Lithium benötigt. Bei Oberklassemodellen mit höherer Reichweite kann es leicht doppelt so viel sein.

Wird Lithium knapp werden? ›

90 Prozent des verarbeiteten Rohstoffs fließen dann in Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos. Laut den BGR-Experten fehlen 2030 im schlechtesten Fall 300.000 Tonnen Lithium pro Jahr. Im besten Fall immer noch 90.000 Tonnen – so viel wie aktuell pro Jahr produziert wird.

Wo ist viel Lithium? ›

Lithium wird aus verschiedenen Vorkommen gewonnen - besonders aus Festgestein und Sole. Die wichtigsten Förderländer von Lithium sind derzeit Australien, Chile und China.

Wer kauft am meisten Lithium? ›

China – 19.000 Tonnen

China ist aufgrund seiner boomenden Elektronik- und Elektrofahrzeugindustrie der größte Verbraucher von Lithium.

Wie viel Lithium auf der Welt? ›

Lithium
Eigenschaften
EG-Nummer231-102-5
ECHA-InfoCard100.028.274
Massenanteil an der Erdhülle60 ppm (27. Rang)
Atomar
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