Berner Young Boys vor dem Titel - doch der CEO wirft hin (2024)

In den nächsten Tagen dürften die Young Boys erneut die Super League gewinnen, obwohl Management und Spieler in dieser Saison selten meisterliche Arbeit ablieferten. Die Unstimmigkeiten häufen sich.

Fabian Ruch

6 min

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Kürzlich kursierten unter Berner Fussballfreunden wieder allerhand Videos und Bilder glückseliger Menschen, die sich enthemmt in den Armen liegen: «Weisch no?» Sie erinnerten an Momente vor sechs Jahren, am 28.April 2018. YB gegen Luzern. Die Penalty-Parade von Torhüter Marco Wölfli, das Tor von Jean-Pierre Nsame zum 2:1 kurz vor Spiel-Ende, der Platzsturm, die erste Meisterschaft der Young Boys nach 32 Jahren. Freude, Feierlichkeiten, Freinacht. Jede und jeder hat sein ganz persönliches Bild des Abends im Wankdorf. Zum Beispiel den Vater, der seit 1986 auf diesen Titel warten musste und im hohen Alter Tränen vergiesst, wie man es sich niemals hätte vorstellen können.

28/4: Bernerinnen und Berner wissen, wo sie sich an jenem Samstagabend aufgehalten haben.

Momente, die bleiben: YB wird 2018 erstmals seit 32 Jahren Meister.

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Auch in diesem Jahr wird YB mit allergrösster Wahrscheinlichkeit Meister, trotz der Niederlage am Samstag gegen Lugano. Vielleicht am 15. oder 16.Mai, womöglich halt erst am 25.Mai. Was soll’s? Es ist eine Erweiterung der Trophäensammlung, der sechste Meistertitel in sieben Saisons, dazu zwei Cup-Siege, drei Teilnahmen an der Champions League, ein regelmässig ausverkauftes Wankdorfstadion. Es ist ein Höhenflug, der nie zu enden scheint. YB ist der nationalen Konkurrenz längst sportlich und wirtschaftlich enteilt und thront in einer eigenen Liga – es ist dem Dominator der Super League fast langweilig geworden, er sitzt in der Bayern-Falle.

Einfach nur Titel zu gewinnen, das genügt nicht mehr.

Vielleicht werden die Young Boys in diesem Jahr als Zuschauer auf dem Sofa Meister, weil irgendein Verfolger wieder einmal patzt. Es würde passen. Denn eigentlich dürfte YB nicht oben stehen – zu viele Fehler leisteten sich Management und Spieler, zu bescheiden waren die Leistungen, zu viel Unruhe herrscht im Betrieb.

In dieser Woche eskalierte der seit einiger Zeit schwelende Konflikt zwischen Sport und Kommerz. Nach Informationen der «NZZ am Sonntag» hat CEO Wanja Greuel die Kündigung eingereicht. Eine offizielle Bestätigung steht noch aus. Es heisst, Greuel habe sich in den Diskussionen mit Vertretern aus dem sportlichen Bereich alleingelassen gefühlt.

Der Sportmanager sitzt für YB im Liga-Komitee. Er engagiert sich stark in der europäischen Klubvereinigung (ECA), wo er sogar im Vorstand ist. Bei den Young Boys aber rieb er sich in der Geschäftsleitung auf.

Kaum noch herausragende Fussballer

Die Auftritte der Young Boys begeistern schon lange nicht mehr. Es gibt kaum herausragende Fussballer wie in den früheren Meisterjahren Guillaume Hoarau und Christian Fassnacht, Jean-Pierre Nsame und Fabian Rieder, um nur ein Quartett zu nennen.

Selbst im Schongang ist YB die klare Nummer1 der Liga. Obwohl der Klub auf dem Transfermarkt zuletzt alles andere als überzeugend vorging. Obwohl in den letzten zehn Monaten mehrere Stammspieler wie Nsame, Rieder, Fassnacht, Cédric Zesiger und Ulisses Garcia YB verliessen. Obwohl Stützen wie Loris Benito teilweise lange verletzt ausfielen. Obwohl es erheblichen Ärger mit der unzufriedenen Klubikone Nsame gab sowie immer wieder Unstimmigkeiten mit dem Trainer Raphael Wicky über Philosophie, Aufstellung, Talentförderung. Wicky wurde im Frühjahr freigestellt, obwohl der Klub mit ihm in etwas mehr als eineinhalb Jahren alle Ziele erreicht hatte und auf Rang1 lag.

Die @BSC_YB geben den Topskorer Jean-Pierre Nsame mitten im Meisterrennen an den Serie-B-Klub Como ab. Es ist nicht das erste Mal, dass YB einen verdienten Fussballer überraschend verabschiedet – aber noch nie wirkte es so riskant.https://t.co/JLwygr3j6R

— NZZ (@NZZ) January 29, 2024

Die Verantwortlichen hinterliessen bei der Moderation dieser Themen nicht den besten Eindruck, aber es gelang ihnen, den Schaden in Grenzen zu halten. Der solide Interimstrainer Joël Magnin führt die Young Boys nun wohl ohne Glanz zur Titelverteidigung.

Wie angespannt die Situation auch rund ums Team war, zeigten nicht nur die Debatten um Nsame und Wicky oder die ungenügend verhandelte Situation mit den gleichwertigen Torhütern David von Ballmoos und Anthony Racioppi. Sondern auch Aussagen und Gesten der Fussballer. Sie sprachen von schwierigen Zeiten – und gaben vor einer Woche beim 2:0-Sieg in Zürich gegen den FCZ mit eindeutigen Zeichen beim Torjubel zu verstehen, dass eher Unzufriedenheit und Verbitterung die Stimmung prägen als Lust und Spass.

Sättigung und Streitereien, Schwierigkeiten und Stagnation: Dieses YB wäre zu stoppen gewesen. Aber die Konkurrenz ist sehr schwach. Dem lange Zeit erstaunlichen Servette fehlt es letztlich an Kapital, Kaderbreite und Know-how. Und als der Genfer Klub im Frühjahr gefährlich nah an YB rückte, folgte eine Niederlagenserie. Lugano drehte zu spät auf, während die Championship-Group-Teilnehmer St.Gallen und Überraschungsteam Winterthur zufrieden sind, wenn es zu den Rängen 4 und 5 und der Teilnahme am Europacup reicht. Luzern versinkt im Mittelmass, GC verliert sich in fatalen Abhängigkeiten von ausländischen Investoren.

Machtfülle von Christoph Spycher

Besonders dramatisch ist die Situation beim FC Basel und beim FC Zürich. Bei den zwei neben YB grössten Klubs der Schweiz sind mit David Degen und Milos Malenovic zwei Spielerberater an der Macht, die das Geschäftsmodell, mit jungen Fussballern Geld verdienen zu wollen, forsch umsetzen. Gerade beim FCZ herrscht seit dem Einstieg von Malenovic ein Klima der Angst und Ungewissheit – dabei lag er noch Ende November nach einem Heimsieg gegen YB auf Rang1.

Auch den Young Boys gelingt nicht alles. Aber der verlässliche Christoph Spycher ist unumstritten die starke Figur. Der bodenständige Berner ist ein Gegenentwurf zu Degen und vor allem zu Malenovic. Spycher hat YB nach seiner Installierung als Sportchef im Herbst 2016 aus der Krise geführt. Und er führt ein Leitungsteam von Vertrauten um Chefscout Stéphane Chapuisat, das ausgezeichnete Arbeit geleistet und Strukturen geschaffen hat, die selbst in einer komplizierten Saison zum Erfolg führen.

Kritik an Christoph Spycher gibt es in Bern nicht. Warum auch? Es läuft, nicht nur auf dem Rasen, sondern auch finanziell. Der noch vor wenigen Jahren wirtschaftlich angeschlagene Klub ist mittlerweile in der Lage, 40 Millionen Franken in einen Campus für den Nachwuchs und die Frauen zu investieren. Und an weiteren ambitionierten Projekten fehlt es nicht: Langfristig soll endlich auch gleich gegenüber dem Wankdorfstadion ein Trainingscenter entstehen. Im links-grünen Bern ist das politisch schwierig umsetzbar, die Allmend gehört allen.

Aber YB ist der Stolz der Stadt, Spycher eine Art König Berns. Er ist nicht mehr Sportchef, sondern Delegierter Sport im Verwaltungsrat, aber immer noch in jede Entscheidung eingebunden. Spycher ist so stark, dass er sich und die Arbeit der sportlichen Führung im Verwaltungsrat gleich selbst kontrolliert – und sogar zum Aktionär des Klubs aufgestiegen ist. Er führt den Verwaltungsrat um den Präsidenten Hanspeter Kienberger – und nicht umgekehrt.

«In Wuschu we trust», geht zu Recht das geflügelte Wort in Bern. «Wuschu» ist seit Kindesbeinen der Rufname Spychers. Er ist bis jetzt der Erfolgsgarant von YB. Doch nun stehen er und seine Mitstreiter vor herausfordernden Aufgaben. Gesucht wird nicht nur ein neuer Trainer: vielleicht Winterthurs Patrick Rahmen, vielleicht eine Überraschung, wie es 2018 Gerardo Seoane war.

Grosser Umbruch im Sommer

Benötigt werden auch neue Leaderfiguren und Verstärkungen in allen Bereichen des Teams. Der Captain Fabian Lustenberger beendet die Karriere, nicht nur das grosse Talent Aurèle Amenda (zu Eintracht Frankfurt) wird den Klub verlassen. YB dürfte im Sommer kräftig ins Kader investieren, Geld ist mehr als genug vorhanden. Und die regelmässige Teilnahme an der Champions League vergrössert den Abstand zu den anderen Super-League-Teams weiter.

Und dennoch ist nicht sicher, ob und wie lange sich die Erfolgsserie fortsetzen lässt. Es gab unerwartete Abgänge langjähriger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zuletzt jenen von Greuel. Jetzt stehen gewichtige personelle Veränderungen an: neuer CEO, neuer Trainer, neue Spieler. YB hat an Magie, Leichtigkeit und Souveränität eingebüsst.

Aktuell ist aber weit und breit kein Klub in Sicht, der die Young Boys ernsthaft bedrohen könnte. Nichts verdeutlicht das mehr als die Tatsache, dass YB irgendwann in den nächsten Tagen trotz einigen Komplikationen ziemlich unbestritten Meister werden dürfte.

«Weisch no?»-Momente allerdings fehlen in dieser Saison.

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Author: Maia Crooks Jr

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